Abercrombie, Joh(n)

Vollständige Anleitung zur Erziehung und Wartung aller in Deutschland in freyer Luft zu ziehenden Obst- und Fruchtbäume, und Fruchtsträucher, aus dem Englischen des Herrn Joh. Abercrombie übersetzt, und mit einer vollständigen Beschreibung aller brittischen Obst- und Fruchtsorten vermehrt von F. H. H. Lueder. (Sehr seltene erste und einzige deutsche Ausgabe/ originaler Ledereinband mit goldgeprägtem Rücken samt grünem Titelschild und Grünschnitt.) (Very rare first and only german edition/ original full calf binding with gold engraved spine including a green title-label and green edges) (Très rare première et seule édition allemande/ réliure originalle en chagrin avec pièce de titre en vert au dos estampé en or et tranches vertes)

Lübeck, Verlag Christian Gottfried Donatius, 1781

Bemerkungen: Sehr seltenes Werk des vielleicht meistgelesenen englischen Gartenfachmanns des 18. Jhds. in der ersten und einzigen deutschen Ausgabe, die insbesondere die Obstbaum- und Fruchtstrauchzucht von wärmeliebenderen Früchten für kühlere Ländereien Mitteleuropas kenntnis- und erfahrungsreich in den Blick nimmt und vielfältige Anleitungen zu ihrer Anzucht und ihren Ausbau an allen Standorten bietet. Sehr bedeutsam auch die Einbringungen des deutschen Übersetzers, der den englischen Ausgangstext in den Kontext der aufkeimenden Wissenschaftsdiskussion anhand der Gartenfachliteratur seiner Zeit in Deutschland hineinübersetzt hat und dabei mit den wesentlichen Literaturverweisen seiner Zeit Bezug nimmt auf die Linnesche Systematik in der Beschreibung von 26 Obst- und Fruchtsorten in ihren Gattungen.

Beschreibung: Ledereinband der Zeit mit goldgeprägtem grünen Rückenschild; Grünschnitt; Format/ Einband 20 x 13 cm; 360 Seiten Inhalt; 17 Seiten Vorrede, 4 Seiten Inhalts- und Abkürzungsverzeichnis und ein umfassendes Register von 9 Seiten, das die 26 beschriebenen Obst- und Fruchtsorten, sortiert nach Art und Land, ausweist, 1 Seite Druckfehler und mit einer Widmung nach dem Titel an „Sam. Dav. Lud. Henne, drey und vierzig Jahre lang gewesenen Pastoris zu Hamersleben und Gunsleben im Fürstenthum Halberstadt“. Es werden in alphabetischer Reihenfolge so z.B. die "Apfelbäume", "Apricosenbäume", "Birnbäume", "Feigenbäume", "Hollunder", "Kirschenbäume" bis zum "Wallnußbaum" und "Weinstock" dargestellt. Die Seiten 297 – 352 bieten einen Anhang mit einem „Obst- und Fruchtgärtner-Kalender“, der die „Verrichtungen“ in den Fruchtgärten nach den Jahresmonaten geordnet nennt, und einen „Catalogus von ausersehenen Obstbäumen und Fruchtsträuchern…“ auf den Seiten 353 – 360. Einbandkanten und Decken berieben, Papier durchgehend sehr wenig fleckig und ohne Wasserränder, Knickspuren an wenigen Seitenecken. Titelblatt mit unauffälligem Stempelaufdruck des Vorbesitzers „Andreas Spiering“. Insgesamt ein altersbedingt sehr guter Zustand.

John Abercrombie (1726 – 1806) war wohl, was die Verbreitung seiner Schriften angeht, einer der, wenn nicht der erfolgreichste Schriftsteller in der Gartenliteratur des 18 Jhd.. Dutzende von Auflagen auch noch nach seinem Tode erfuhren seine oft präzise und im Umfang meist überschaubaren Werke, die jedoch – und das wird sie so erfolgreich gemacht haben – den reichen pomologischen Kenntnisstand Abercreombies mit seinen üppigen horticulturalen Erfahrungsschätzen zu verbinden und sie leicht verständlich für die Leserschaft darzustellen gewusst haben. Abercrombie muss jedenfalls ein Gärtner durch und durch gewesen sein – wie schon sein Vater im schottischen Edinburgh, wo Abercrombie herstammte und von wo aus er sein bewegtes Gartenleben, das ihn oftmals wie einen Wander-Gärtner auf Auftragsabruf in viele Gärten vermögender Familien und auch als Händler auf viele Blumenmärkte Englands brachte, startete. Die bedeutendsten gärtnerischen „Stationierungen“ fand er in den königlichen Gärten in Kew und Leicester, später dann in Hackney und Tottenham. Auf seinen Schiften titulierte er meist schlicht als „Gardener“. Von ihm sind insgesamt 12 Werke der Gartenlitertur bekannt, wobei es bei seinem ersten Werk, „every man his own gardener“ (1767), zu dem er das Recht zur Nennung des Autorennamens im Titel für 20 BP an „Thomas Mawe“, dem Gärtner des Duke of Leeds abtrat, und bei dem es bis zur 7. Auflage (1787) dauerte, bis auch sein Name auf dem Titel erschien. Erst später also publizierte er seine Gartenwerke auch unter eigenem Namen und sein 12. und letztes Werk, erschien posthum 1813, „practical gardening“, veröffentlich durch seinen Freund James Donn, der Kurator des Cambridge Botanical Garden war und der ihn finanziell in seinen letzten Lebensjahren, die er umgeben von seiner vielköpfigen Familie in Somers Town verbrachte, unterstützte. So wie es scheint entwickelte Abercrombie für seine Werke eine eigene Systematik von kleineren Textkonvoluten mit vielen praktischen Anleitungen zu dem erfolgreichen Gärtnern für jedermann und überall; diese mischte er gekonnt und ideenreich unter Einbezug von Kalendarien zu immer neuen Werken, denen er so gut wie nie – anders als in vieler anderer Gartenliteratur seiner Zeit – Bildmaterial in Form von Tafeln mit Stichen oder Zeichnungen beifügte. Seine Leserschaft profitierte vielmehr von seinem textlichen Ideenreichtum mit Wortkreationen wie „the mushroom“ oder „the hot house gardener“. Schon der Untertitel seines ersten Werks macht dieses deutlich: „Containing not only an account of what work is necessary to be done in the hot house, green-house, shrubbery, kitchen, flower and fruit gardens, for every month in the year, but also ample directions for performing the said work, according to the newest and most approved methods now in practice among the best gardeners”. Das erfolgreiche Gärtnern für jeden – das war das Geheimrezept von John Abercrombie, natürlich genährt aus seinem eigenen über sein ganzes Leben bewährt und erprobt entwickelten Gartenwissen. Übersetzungen seiner Texte nach Deutschland (1781), nach Frankreich (1784) und nach Österreich (1792) sind bekannt und sein Kenntnisstand muss sich bis nach Russland verbreitet haben denn, wie es heißt, soll sich selbst Katharina die Große bemüht haben, seine praktischen Anleitungen für das erfolgreiche Gärtner von allen überall an ihre Gärtner zu bringen. Doch scheinbar lud seine besondere Schreibstilkonzeption den deutschen Übersetzer F. H. H Lueder bei unserem Werk 1781 dazu ein, die originalen Textbausteine des John Abercrombie geschickt für das deutsche Publikum mit weiterem Kenntnisstand aus den damals in Deutschland aktuell und ersten wissenschaftlichen Werken der aufkeimenden Botanik einzumischen, was schon der Titel verrät: „Vollständige Anleitung zur Erziehung und Wartung aller in Deutschland in freyer Luft zu ziehenden Obst- und Fruchtbäume, und Fruchtsträucher…“ Literarisch findet sich bei den englischen Werken Abercrombies wortgetreu kein Titel, den man so zu übersetzen hätte, und schon gar nicht hat Abercrombie speziell zur Aufzucht von Früchten und Blumen in Deutschland geschrieben. Bei dem der deutschen Übersetzung zu Grunde liegenden englischen Werk Abercrombies handelt es sich um sein drittes und schon unter seinem Namen 1779 erschienenen Werk mit folgendem Titel: „The British Fruit-Gardener and Art of Prunning; comprising, the most approved methods of Planting and Raising every useful Fruit-Tree anf Fruit-Bearing-Shrub, wether for walls, espaliers, standards, half-standards or dwarfs; the true succesful practice of pruning, training, grafting, budding & so as to render them abundantly fruitful; and full directions concerning soils, situations, and exposures.“ Lueder übersetze nun nicht einfach wortgetreu den englischen Text, sondern ordnete ihn neu, ließ manches weg und gab seine Erkenntnisse aus der botanischen Diskussion der in der Wissenschaft seiner Zeit sich neu bahnbrechenden Beschreibungssystematik für die Erfassung von Pflanzen und ihren Gattungen nach “dem Ritter Linné“ weiter. Er brachte so seine Übersetzung ein in eine Auseinandersetzung der Botanik und den damals zentralen Werken eines Millers, eines Dietrich, eines Duhamel eines Bauhin u.a. und vor allem des Pastors Henne, dem er das übersetze Werk widmete. Auch wählte er die gängigen Obstsorten seiner Zeit in Deutschland aus, nicht ohne ein Register über den britischen Bestand an ausgesuchten Früchten zu vergessen. Das so übersetze Werk des Abercrombie erhielt hier eine deutsche Übersetzung auf Höhe der Botanik des 18. Jhds. und ist auch wissenschaftsgeschichtlich von hohem Wert.

BNr. 072

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